Rezension: Wanderer, Bd. 1 - Sand der Zeit


TITEL: Wanderer, Bd. 1 - Sand der Zeit
AUTOR: Amelie Murmann
FORMAT: Kindle
PREIS: 3,99 Euro
SPRACHE: Deutsch
VERLAG: Im.press

VERÖFFENTLICHUNG: 03.07.2014

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INHALT:
Der Lebenstraum der sechzehnjährigen Emilia lässt sich in zwei Worten zusammenfassen: »Palaestra Viatorum« – die renommierte Internatsschule, in der nur die Besten der Besten aufgenommen werden. Leider hapert es in Emilias sonst perfektem Zeugnis an der Kunstnote, auf die gerade diese Schule ganz besonderen Wert zu legen scheint. Doch dann trifft Emilia ausgerechnet in einer Kunstgalerie auf Max, den stellvertretenden Schulsprecher der Institution, und zwar nachdem er gerade durch ein modernes Gemälde gesprungen ist... Emilia traut ihren Augen nicht. Als sie dann noch Visionen ihrer eigenen Zukunft bekommt, scheint sich plötzlich nicht nur Max, sondern auch die Palaestra für sie zu interessieren – und lädt sie zu einer ungewöhnlichen Aufnahmeprüfung ein.




CHARAKTERE:

EMILIA
Ein 16-jähriges Mädchen, leidenschaftliche Schwimmerin und träumt von der Aufnahme am berüchtigten Internat. Sie hat absolut kein künstlerisches Talent, was sie öfters zur Belustigung Anderer unter Beweis stellt. Sie ist eine Wanderin und verfügt zudem über die Gabe des Sehens. Sie ist sehr liebevoll, selbstsicher, schlagfertig, wird schnell wütend und verfügt eigentlich kaum über Ängste.

MAX
Er ist stellvertretender Schülersprecher am Internat, talentiertester Wanderer, den die Akademie vorzuweisen hat und steht oft in der Aufmerksamkeit der Frauenwelt. Er ist stark und mutig, wobei die starke Ausprägung dieser Eigenschaften auch gerne mal zu vorschnellen Handlungen führen kann. Neben diesen kann er aber auch unsicher und selbstzweifelnd sein, was ihn für mich menschlicher wirken lässt.

KIT
Emilias Zimmernachbarin und baldige gute Freundin. Sie ist etwas durchgeknallt, emanzipiert und verkörpert Eigenschaften einer Löwin: Stärke, Mut, Durchsetzungsvermögen und Beschützeinstinkt. Sie ist ebenso eine Wanderin und stürzt sich aufgeschlossen in die Geschehnisse. Doch hinter ihrer starken Fassade versteckt sich ein sensibler Mensch, der sich seiner größten Angst erst noch stellen muss.

FLORIAN
Ein Sunnyboy, der dem Titel absolut nicht gerecht wird. Von Kit liebevoll "Goldlöckchen" genannt, ist er der Ruhepol innerhalb der Gemeinschaft. Er ist ein passiver Wanderer mit einem herausragenden künstlerischen Talent. Er ist liebevoll, freundlich, ehrlich und gibt nicht so leicht auf. 

NICCOLAI
Ein junger Mann, der familiär in Verbindung zu Emilia steht. Er ist ehemaliger Schüler der Akademie und war einer der besten Freunde von Max. Die Ereignisse haben die beiden auseinandergebracht, doch hält Niccolai an Werten wie Vertrauen und Freundschaft fest. Er sucht stets nach der Wahrheit und hinterfragt nicht nur den Rat, sondern auch die Macht, die mit der Sanduhr einhergeht.



NEBENCHARAKTERE:

ALEXANDER VON HOHENFELD
Der Direktor der Akademie und Mitglied des Rats der Wanderer. Er wird als sehr vertrauenswürdig beschrieben und hat sich Max zugewendet, als dieser am dringsten Hilfe brauchte.

CELIA
Die Tochter von Alexander, eine sehr gute Freundin von Max und eine Wanderin. Sie verfügt über die Kraft des Sehens, was ihr große Verantwortung innerhalb der Akademie aufbürdet.

LOGAN 
Ein junger Mann, der Teil der gegnerischen Partei ist. Er lässt sich nur schwer einschätzen. Er vermittelte mir oft das Gefühl, dass er einen inneren Kampf auszutragen hat.




SCHREIBSTIL:

Die Besonderheit in diesem Buch liegt definitiv bei den verschiedenen Perspektiven, die aufgezeigt werden. Zum einen wird aus der Sicht von Emilia berichtet, wobei hier in Ich-Form erzählt wird. Alle anderen Perspektiven werden aus der Sicht der dritten Person geschildert. Anfangs habe ich mich damit schwer getan, weil mir einfach der Bezug zu den einzelnen Charakteren immer wieder verloren ging. Aber ich habe mich danach schnell drauf eingelassen und dran gewöhnt. Am Ende war es recht übersichtlich und man wusste sofort, dass Emilia berichtet, wenn aus der Ich-Perspektive weitererzählt wurde.

Jedes Kapitel erhielt einen meist witzigen Titel, der aber nicht zwangsweise Einblick auf die Geschehnisse in diesem gegeben hat, was ich sehr gut fand. Dadurch wurde die Spannung gehalten, da man sich fragte, worauf die Überschrift im Einzelnen nun eigentlich abzielte.

Ansonsten ist der Schreibstil flüssig, ab und an mal etwas Umgangssprache - aber die war auch passend. Generell steckt in manchen Seiten viel Humor (Codewort: Austin und schwanger - ich habe köstlich gelacht), was die Geschichte zwischendrin ungemein aufgelockert hat.




MEINUNG: (Achtung: Spoiler möglich!)

Puh. Luft holen. Mein Kopf ist noch ganz voll und meine Gedanken wirbeln völlig umher. Ich bin fast schon ein wenig geflashed, habe zwischenzeitlich beim Lesen sogar vergessen, mir Notizen zu machen, wie ich es normalerweise immer tue. Ich entschuldige mich schon mal jetzt für die lange Rezension, die wahrscheinlich nun folgen wird. Aber beginnen wir.... ja. Mit was beginne ich nun eigentlich.

Fange ich mit dem Leichtesten an: das Cover ist wirklich sehr schön geworden. Manchmal verfluche ich ja meine Ausbildung zum Grafikdesigner vor vielen Jahren, was dazu führte, dass schlechte Designs mein Herz bluten lassen. Und dann passiert es, dass ich eine Schublade auf- und zumache. Ganz nach dem Motto: Schlechtes Design, schlechte Geschichte. Aber da das hier ja nicht gegeben ist, tut es im Grunde ja auch nichts zur Sache. Zurück zum Thema. Schönes Buchcover! Die Farben sehr schön aufeinander abgestimmt, die Proportionen sind harmonisch und die Schriftart passt ebenso ins Gesamtbild hinein. Und im Nachhinein spiegelt es natürlich wunderbar den Inhalt wider.

Nun geht es ans Eingemachte: Die Geschichte ist ja sowas von komplex! Im positiven Sinne, keine Sorge! Ich kann nur noch nicht alles so zuordnen, wie ich es gerne möchte. Anders als bei jedem Buch, was ich bisher gelesen habe, wird die Geschichte irgendwie auf ganz eigenwillige Art und Weise aufgezogen. Normalerweise beginnt eine Geschichte relativ ruhig. Man erhält erstmal einen gemütlichen Einblick in die Protagonisten und deren Welt. Nicht so bei "Wanderer". Man steht vollkommen im Geschehen und bereits in den ersten Seiten und Kapiteln passiert so vieles. Es werden massig Fragen aufgeworfen, die aber teilweise mittendrin oder erst zum Schluss beantwortet werden. Und das macht es für mich so besonders - es hebt sich ab von vielen anderen Büchern.

Das Prinzip der Zeitreisen ist ja nun nicht neu - wobei die Thematik hier ein anderes Level erreicht, da es sich weitgehend um Ortswechsel dreht. Dennoch spielt die Zeit eine enorme Rolle, beispielsweise durch die Kraft der Seherinnen, deren Visionen die Geschichte bestimmen. Die Kreativität, die hierbei zu Tage getragen wird, hat mich fasziniert. Ich selbst hege eine tiefe Verbundenheit zur Kunst und stand selber bereits im Louvre vor den riesigen Gemälden. Wie oft wollte ich schon hineintauchen und sehen, was der Künstler sah. Dass diese Bilder nun als Transportmittel eingesetzt wurden, fand ich sehr interessant. Auch die damit einhergehende Voraussetzung, dass Bilder tiefe Emotionen und Verbundenheit ausdrücken müssen (im besten Fall), um eine gezielte Reise ermöglichen zu können (Ausnahmen bestätigen die Regel). Zwischenzeitlich hab ich mich allerdings ein bisschen an die Edelstein-Trilogie von Kerstin Gier erinnert gefühlt. Nicht, weil sich Textstellen ähnelten, sondern weil sie in mir das selbe Gefühl und die Atmospäre ausgelöst hatten, als ich z.B. Rubinrot gelesen hatte. Ich weiß nicht, ob ihr das nachvollziehen könnt. Aber darüber kann ich ruhigen Gewissens hinweg sehen, nachdem ich das Buch nun beendet habe.

Zur Geschichte selbst möchte ich gar nicht so viel sagen, denn sie ist komplex, wie ich schon sagte. Es passieren so viele Ereignisse und Wendungen, dass ich hier seitenweise weiterschreiben müsste, um dem gerecht zu werden. Die Spannung wird auf jeden Fall dauerhaft gehalten, was mir manchmal sogar etwas zu viel wurde. Der Spieß wurde so oft umgedreht, rechnet man noch die Ortswechsel, Visionen und Zeitumkehrungen dazu, war die Verwirrung komplett. Da sich aber im Nachhinein immer alles wieder geklärt hat, sehe ich auch hier von einer negativen Bewertung ab. Ich sagte ja, dieses Buch ist so völlig anders, als andere Bücher. Lest es selber!

Eines kann ich aber noch vorweg nehmen... das Buch enthält so einige Geschichten, die parallel nebenher laufen. Es gibt irgendwie nicht nur die zwei üblichen Hauptprotagonisten. Jeder Charakter trägt eine solche Wichtigkeit und erhielt von der Autorin seine ganz eigene Geschichte, die er zu bewältigen hatte. Durch die Perspektivenwechsel schaffte die Autorin eine immense Vielschichtigkeit. Sehr komplex eben! (jaja, ich versuche dieses Wort von nun an zu streichen! :D)

Zu den Charakteren: Von Beginn an durchlebt man als Leser gemeinsam mit Emilia das Aufdecken der geheimnisvollen Hintergründe ihrer Herkunft, ihrer Aufgabe bzw. ihrer Rolle im Gesamtgeschehen. Man erhält stückweise Einblick und wächst gemeinsam mit Emilia. Ich persönlich finde, dass sie in dieser Zeit eine solch intensive Entwicklung durchmacht - und im Gegenzug zu anderen Büchern zum Ende hin nicht nur an Stärke gewinnt, sondern auch eigene Schwächen aufdeckt. Und die Entwicklung ist bei weitem nicht abgeschlossen. 

Mein absoluter Lieblingscharakter ist Kit! Halleluja! Oft dachte ich nur: "Gut gebrüllt, Löwin!". Sie durchlebt ihren ganz eigenen Kampf und wächst in dieser Zeit über sich hinaus. Ich mag sie einfach unheimlich und konnte mir sehr gut vorstellen, wie sie aussieht und agiert. Aber auch das solltet ihr selber lesen.

Florian hat mich ehrlich gesagt sehr überrascht - im positiven Sinne. Er hat nicht diesselben Kräfte, wie andere Charaktere und kann in den wirklich brenzlichen Situationen nie dabei sein, aber trotzdem verliert er nicht an Glanz. Im Gegenteil. Er ist eine ruhige Konstante und ich hab immer das Gefühl, dass er alles wieder ins rechte Licht rückt und durch seine Persönlichkeit alle wieder auf den Boden der Tatsachen bringt. 

Insgesamt fand ich alle Charaktere (auch Nebencharaktere) sehr schön heraus gearbeitet, was durch die Perspektivwechsel gut ermöglicht wurde. Jeder zeigt seine individuellen Stärken, aber vor allem auch seine Schwächen, was mir sehr gut gefallen hat. Die Beziehungen untereinander sind an manchen Stellen so einfach, aber an Anderen auch so komplex gestaltet... besonders in Liebesdingen wird aufgezeigt, dass Anziehungskraft nicht ausreicht, um eine Beziehung erfolgreich aufzubauen. Es gehört so vieles mehr dazu, vor allem Ehrlichkeit und Vertrauen. Die Autorin zeigt auf, was es heißt, sich Vertrauen erst erarbeiten zu müssen und setzt dies gefühlvoll in Szene.

Generell stehen Faktoren wie Vertrauen, Freundschaft, Stärke, Mut und auch Angst im Vordergrund. Es gibt keinen Protagonisten, der sich nicht an irgendeiner Stelle am liebsten unter der Bettdecke verkriechen würde. Die Auseinandersetzung mit all den aufkommenden Gefühlen wurde gut umgesetzt und hat mich sehr zufriedengestellt.

Aber nicht dass ihr nun denkt, es geht hier nur um eine gefühlsduselige Geschichte. Nein, nein. Das Buch bietet sehr häufig actionreiche und fast dramatische Szenen, Kämpfe, Gewalt und Schmerz. Dem Leser wird ein Gesamtpaket aus allem geschenkt.

Und auch hier muss ich die Tiefgründigkeit, die Botschaft hinter den Zeilen, wieder hervorheben. Ich frage mich nach jedem Buch, was mir die Geschichte damit sagen möchte. Letztlich habe ich für mich folgendes beschlossen: Jeder hat ein Stück weit die Zukunft in Händen. Die Vergangenheit ist geschrieben, die Gegenwart passiert gerade, doch die Zukunft ist ein unbeschriebenes Blatt. Jedes noch so kleine Sandkorn schlägt Wellen. Und ich habe es in der Hand, was auch bedeutet, dass die Verantwortung bei mir Selbst liegt. Auch die Angst davor, Verantwortung zu übernehmen, ist ein heutiges gesellschaftliches Problem. Niemand will etwas zum Negativen bringen. Man hat solche Angst davor Entscheidungen zu treffen, dass man sich hinter Nichtigkeiten und Ausreden versteckt, um sich der Verantwortung zu entziehen. Das sollte man sich manchmal doch bewusst machen.



FAZIT:

Ein sehr komplexes Buch, anders, als alles, was ich bisher gelesen habe. Es widmet sich so vielen Themenbereichen, wovon mir immernoch der Kopf schwirrt, was jedoch eine gute Voraussetzung dafür ist, dass es mir im Gedächtnis bleibt. Ich kann es wirklich nur empfehlen.




WERTUNG:




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