Rezension: Das Mädchen aus der 1. Reihe



TITEL: Das Mädchen aus der 1. Reihe
AUTOR: Jana Crämer 
FORMAT: Kindle 
VERLAG: juneberry 
PREIS: 6,99 Euro 

VERÖFFENTLICHUNG: 15.08.2015

KAUFEN: Amazon



INHALT: 
In Leas Augen ist ihr Körper eine einzige Problemzone. Nur wenn sie mit ihrer besten Freundin Jule auf den Konzerten ihrer Lieblingsband in der 1. Reihe steht, kann sie ihre Sorgen für einen Abend vergessen und das Leben unbeschwert genießen. Jule ist das komplette Gegenteil von ihr: selbstbewusst, beliebt und schlank. Umso verblüffter stellt Lea fest, dass sich Ben, der attraktive Sänger der Band, ausgerechnet für sie interessiert. Es entwickelt sich eine Beziehung, die beide dazu bringt, ihre Masken fallen zu lassen. Und Lea erfährt, dass auch Bens Leben nicht diese Leichtigkeit hat, wie es auf der Bühne scheint … Ein Roman übers Aufbrechen, über Konzerte, Freundschaft und Musik, Träume und Sehnsüchte und übers Ankommen – übers Ankommen bei sich selbst. 




CHARAKTERE:

LEA
Ein 18-jähriges Mädchen, kurz vor Beendigung ihres Abiturs und ganz anders, als Andere. Sie ist übergewichtig und kämpft jeden Tag mit der Aufwertung ihres Selbstbewusstseins. Sie ist ein liebevoller Mensch, der sich gern für andere aufopfert - sich dabei selbst aber unter den Scheffel stellt. Sie ist ein Planungsmensch, der Organisation und Struktur am Herzen liegen. Ihre Abende verbringt sie am liebsten mit ihrer besten Freundin Jule auf der Couch... bis sie die Bandmitglieder von "Joyning" kennenlernen...

JULE
Die beste Freundin von Lea, eine Schönheit, wie sie im Buche steht und trotzdem vollkommen auf dem Boden geblieben. Ähnlich wie Lea, hat sie bisher nichts mit Jungs am Hut gehabt. Sie ist schlagfertig, weiß, was sie will und steht in jeder Situation zu 100% hinter Lea.

BEN
Der Sänger der Band "Joyning", gutaussehend, charmant und arrogant. Zumindest auf der Bühne weiß er die Mädels für sich zu vereinnahmen. Er lebt für seine Musik und hegt den Traum, irgendwann seine eigene Musik vermarkten zu können. Während er sich Mal für Mal bei Produzenten bewirbt, tritt er weiter mit seiner Coverband auf. Doch würde er sein altes Leben ohne zu zucken hinter sich lassen, wenn er nur könnte. Mit Lea verbindet ihn von Beginn an etwas, was niemand in Worte fassen kann und niemand versteht.

TOBI
Er ist der beste Freund und Bandkollege von Ben. Er verkörpert mehr den Surferboy, ist zuvorkommend und nett. Er steht hinter der Band, doch stellt sie nicht seinen Lebenstraum dar. Jule hat ihm den Kopf gänzlich verdreht.

 

MEINUNG:

Ich bin hin- und hergerissen.

Beim Durchstöbern der Amazon-Seite ist mein Blick auf diesem Buch hängen geblieben. Der Titel hat mich schlichtweg fasziniert. Gut, und die Covergestaltung allgemein. Türkis ist nun mal mein Favourite. Erst nachdem ich dann den Klappentext gelesen habe, ist es auch auf meinem Kindle gelandet. Da wusste ich allerdings noch nicht, wie viel Tiefgang das Buch mit sich bringt.

Die Geschichte ist simpel: Mädchen mit Minderwertigkeitskomplexen (und diesmal wirklich! Nicht wie in anderen Büchern, wo zu Beginn die Hauptprotagonistin kleine Schwachpunkte an sich kritisiert und sie am Ende doch die strahlende Prinzessin mit perfect BMI ist.) trifft auf Sänger einer Band. Mehr passiert rein storytechnisch nicht. Keine fatalen Wendungen, keine kritischen Ereignisse. Aber alles was dazwischen passiert, ist schlichtweg ergreifend.

Als Leser erhält man Einblick in die innere Auseinandersetzung mit sich selbst. Der Plot widmet sich einer viel zu selten thematisierten Krankheit: Fresssucht. Binge Eating ist nur eine Form dieser Erkrankung und ist alles andere als nur ein "über die Maße essen". Fresssucht ist psychisch bedingt, was viele nicht wissen. Mit Hilfe von Essen wird eine innere Leere und Einsamkeit gefüllt. Man hat keine Kontrolle mehr darüber, wenn der Punkt mal erreicht ist. Man "frisst" unkontrolliert alles in sich herein, man schmeckt nicht mal mehr, man isst einfach nur so viel, bis man fast platzt. Erst dann fühlt man sich nicht mehr leer. Aber nach einer solchen Attacke kommt das schlechte Gewissen. Ich spreche aus Erfahrung, weshalb mich dieses Buch so mitgerissen hat. 

Ich habe mich zeitweise in meine eigene Vergangenheit versetzt gefühlt und in einigen Momenten dachte ich, die Autorin würde über mich schreiben. Bei mir begann alles mit der Scheidung meiner Eltern, als ich 6 Jahre alt war. Meine Teenager- und Jugendzeit war alles andere als schön. Wer das Buch liest, wird in etwa erahnen können, wie das Leben sich abspielt, wenn man davon betroffen ist. Und hier kommt einer der Punkte, der mir innere Zerrissenheit bringt: Ich hab mich so sehr angesprochen gefühlt, dass ich manchmal schlichtweg genervt von Lea war. Denn ich bin bereits weit über diesen Punkt hinaus, den Lea durchlebt. Ich bin noch lange nicht da, wo ich sein könnte, aber ich habe diese Phase erfolgreich hinter mir gelassen. Ich konnte mich damals selber nicht leiden und durch das Lesen von Lea's Geschichte kamen all diese negativen Gefühle in mir wieder hoch. Dieser Selbsthass, den Lea durchlebt, wurde wieder zu meinem - weswegen ich doch ein wenig froh darüber bin, dass ich das Buch nun beendet habe.

Und doch war es gut das alles zu lesen, weil es mir zeigte, wo ich stehe. Es befriedigt mich zu sehen, was ich alles hinter mir gelassen habe. Ich hab mir nur im Laufe der Geschichte gewünscht, dass Lea diesen Prozess schneller durchlebt, was natürlich nicht möglich ist. Solch ein Prozess dauert Jahre an. Sehr schön zeigt die Autorin, wie ein solcher Prozess mit den richtigen Personen beeinflusst werden kann. Jule ist eine feste Konstante in Leas Leben, die nicht wegzudenken ist. Sie gibt ihr Bestätigung und Kraft, auch wenn sie auf der anderen Seite für Selbstzweifel sorgt. Denn mit solch einer schönen und liebevollen Person an seiner Seite, hinterfragt man stets das eigene Auftreten. 

Und Ben. Tja Ben. Ich selbst habe auch einen solchen Ben an meiner Seite - die Geschichte zwischen Beiden ist für mich völlig realistisch, da ich sie selbst lebe. Ben ist ein Auslöser. Er zeigt auf seine eigene Weise, wie wertvoll ein Mensch ist, egal wie er aussieht. Er ist egoistisch und unnahbar, aber Lea schafft es, ihn aus der Reserve zu locken. Zwischen den beiden entsteht eine tiefe Verbundenheit, nicht mal unbedingt auf Liebe begründet. Einfach ein Band, dass beide Protagonisten immer wieder zueinander zieht. Sie brauchen sich gegenseitig, auch ohne, dass sie gleich ins Bett hüpfen. Das geht über eine normale Freundschaft weit hinaus. Und man versteht selbst nicht, was sich da genau abspielt.

Schade fand ich nur, dass die Beziehung zwischen Ben und Lea so selten zum Tragen kam. Etwa 80% des Buches besteht aus dem inneren Monolog von Lea. Sie erzählt aus ihrer Sichtweise, was auch wichtig ist - vor allem bei dieser Thematik. Aber auch alle anderen Geschehnisse werden durch sie in Rückblenden beschrieben. Man liest oft: "Ich erinnere mich noch an das Gespräch, das war so und so." - und dann folgt seitenweise diese Erinnerung, erzählt von Lea. Mir fehlten die Dialoge, denn auf Dauer wurde mir der innere Monolog zu eintönig und langweilig. Zumal ich zwischenzeitlich Schwierigkeiten hatte nach den ganzen Rückblenden wieder ins aktuelle Geschehen hineinzukommen. Deswegen ziehe ich schweren Herzens auch 1,5 Punkte ab.

Das Ende ist zwar irgendwo in sich abgeschlossen, aber irgendwie auch offen. Da noch ein zweiter Teil folgen wird, nehme ich an, bin ich nun wirklich gespannt, wie die Geschichte zwischen Ben und Lea noch voran geht.
 

FAZIT:
Ein wundervoller Start über eine viel zu selten thematisierte Erkrankung und die Wirkung der richtigen Menschen in unserem Leben auf unsere innere Persönlichkeit. Sehr zu empfehlen.



WERTUNG:   3,5/5


 

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